Wohnungswirtschaftliche Fachtagung mit großem Publikum
Neues Format der Veranstaltung in Baden-Baden
Die bedeutendste wohnungswirtschaftliche Veranstaltung im Südwesten hat einen Relaunch erfahren: Die Baden-Badener Tage starteten mit mehr Themen, mehr Interaktivität, mehr Austausch als je zuvor. Zur Freude des Publikums, das die Veranstaltung wieder zahlreich besuchte. Die knapp 250 Teilnehmer, Aussteller, Referenten und Veranstalter konnten im Rahmen des zweitägigen Kongresses aus mehreren Themenforen wählen und viele Impulse mitnehmen. Die Themen reichten vom seriellen Bauen und Holzbau über Personalstrategie, digitales Energiemanagement, Umsetzung der Vorgaben von ESRS/ CSRD, neuen Wohnformen und eine Studie zur psychosozialen Gesundheit im bezahlbaren Wohnungsbau.
Nach der Begrüßung durch vbw-Verbandspräsident Peter Bresinski setzte die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Maren Urner mit dem Vortrag „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“ die ersten Akzente der Tagung. Sie beantwortete die Frage nach einem neuen Mindset angesichts einer krisengeprägten Zeit. „Das Gehirn lässt sich verändern, durch jede Wahrnehmung und Interpretation des Gehirns“, betonte Urner. Sie benannte drei Schritte zum dynamischen Denken: Es gelte immer zu fragen „Wofür bin ich eigentlich?“ und nicht wogegen. Wo gibt es Verbindungen und einen gemeinsamen Nenner, um das Lagerdenken zu überwinden? Und last but not least, gelte es, sich aus dem Gewohnheitstrott zu lösen. „Neugier und Mut, Dinge anders zu machen, helfen dabei“, sagte die Referentin. Prof. Dr. Sascha Armutat von der Hochschule Bielefeld setzte das Augenmerk unter dem Titel „welches Personal brauchen wir?“ auf die Megatrends und die damit einhergehenden Veränderungen bei den Kompetenzbedarfen in den Wohnungsunternehmen. „Der Umbau, nicht der Abbau der Belegschaft wird notwendig sein“, betonte er. Er riet zu drei Schritten: Machen Sie eine strategische Personalplanung. Entwickeln Sie neue Rollenprofile. Akzeptieren Sie die Transformation mit umfangreichen Veränderungen in den Unternehmen und schaffen Sie mit emotionalen Bildern inspirierende Visionen für Ihr Personal. Beim anschließenden World Café ließ er die Geschäftsführer und Vorstände in kleinen Gruppen diskutieren und beraten.
Anleitungen zum ESRS/CSRD-Bericht und dem seriellen Bauen
Im zweiten Themenforum des Vormittags gaben vbw-Prüfungsdirektor Gernot Schober und Ralf Latus, Prokurist der GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Sigmaringen, Einblick in die entscheidenden Schritte rund um die Berichtspflichten nach ESRS/CSRD-Richtlinie. Sie erklärten den Weg, den Wohnungsunternehmen diesbezüglich zu gehen hätten mit allen Vorarbeiten, Checks und To-do’s.
Über die ersten Erfahrungen mit der GdW-Rahmenvereinbarung zum seriellen und modularen Bauen berichtete Fabian Viehrig vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Fast 5000 Wohnungen wurden in rund 50 Bauvorhaben bis Ende 2023 innerhalb der ersten Rahmenvereinbarung beauftragt, unter anderem in Waiblingen, Stuttgart, Fellbach, Bad Cannstatt, Kernen, Böblingen und Weil am Rhein. Nun sollen innerhalb der neuen Rahmenvereinbarung, die mehr Wert auf ökologische Qualität und optionale Leistungen legt, weitere Wohnungen folgen. „Bei Ausschreibung und Entwurfskonzept müssen die Bauherren sehr konkret planen und früh entscheiden. Der Ablauf ist sehr strukturiert. Dafür erleben sie anschließend keine Überraschungen“, so Viehrig. Und er betonte: „Serielle Bauten können auch richtig schön sein“.
Wohnformen, Architektur und psychosoziale Gesundheit
Überalterung, Einsamkeit und Bezahlbarkeit sind laut Vera Völker von der Stadtberatung Dr. Sven Fries GmbH die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit. Sie berichtete in einem Themenforum gemeinsam mit Martin Gebler, Prokurist der Neues Heim – die Baugenossenschaft, über neue Wohnformen, die ein Mittel gegen Einsamkeit sein können. „Gemeinschaftliche Wohnformen bieten Menschen verschiedener Generationen, Herkunft, Einkommen und Lebenssituationen die Möglichkeit, zusammen zu wohnen und sich im Alltag gegenseitig zu unterstützten oder auch finanziell zu entlasten“, so Völker. Co-Housing, Clusterwohnen und Mikro-Apartments zählen dazu. Gemeinschaftliches Wohnen verlangt der Wohnungswirtschaft sehr viel mehr Prozesssteuerung und Moderation ab. „Wir bieten aber „Wohnen“ und nicht nur „Wohnung“ an“, formulierte Gebler den Auftrag der Wohnungswirtschaft.
Die Volkswohnung hat - gefördert von der Wohnraumoffensive Baden-Württemberg - vor drei Jahren eine wissenschaftliche Studie zur „Architektur und psychosozialen Gesundheit im bezahlbaren Wohnungsbau“ in Auftrag gegeben. Anja Kulik, Mitglied der Geschäftsleitung für den Bereich Bestandsentwicklung und Soziales bei der Volkswohnung GmbH, stellte die Studie und deren Ergebnisse vor. Diskutiert wurde im Anschluss insbesondere über die Tatsache, dass sich die Bewohner vor allem Privatheit wünschen, beispielsweise in Bezug auf Einblicke in die Wohnungen oder auf Balkone und Terrassen und in Bezug auf Lärm. Sie lehnen Gemeinschaftsräume eher ab, und kommen mit Interessengemeinschaften im Haus besser zurecht als in „durchmischten“ Gebäuden. Was diese Ergebnisse für die Wohnungswirtschaft und ihre Wohnungsbestände bedeuten, werden die Unternehmen jeweils vor Ort entscheiden müssen.
Digitales Energiemanagement und KI
Dr. Thomas Brenner von OLI Systems GmbH nahm das digitale Energiemanagement im Gebäude und Quartier in den Fokus. Im Quartier böten sich lokale Wertschöpfungspotenziale für die Wohnungswirtschaft. „Das Ziel ist es, durch digitales Management Energie möglichst vor Ort und wirtschaftlich sinnvoll zu verwenden“. Bislang waren die Hürden bei Strom relativ hoch. Doch ist auf dem Markt in jüngster Zeit einiges in Bewegung. Nach 2025 soll Energy Sharing für Quartiere möglich sein. Brenner gab für die Wohnungsunternehmen einen klar definierten Ablauf von der strategischen Planung über die Beantragung von Fördermitteln bis zur digitalen Lösung vor.
Nicht mit einem einzelnen Weg, sondern vielen guten Beispielen für künstliche Intelligenz (KI) im wohnungswirtschaftlichen Alltag punktete Timo Wanke vom DigiWoh Kompetenzzentrum Digitalisierung Wohnungswirtschaft des GdW. „Für geringe Risikoklassen bestehen laut EU-AI-Act weiterhin keine Urheberrechtsansprüche, aber eine Kennzeichnungspflicht von KI-generierten Inhalten“, betonte er. Für den Einsatz von KI gebe es erste Lösungen im Bereich der Mieter- und Mitgliederbetreuung wie beispielsweise Chatbots und Anrufbeantworter auf KI-Basis im Mieterportal oder bei der Bewirtschaftung, wie die automatisierte Abwicklung von Versicherungsschäden. Ein KI-gestützte Erfolgskontrolle von Sanierungs-Projekten werde derzeit getestet. „Der GdW startet Mitte November gemeinsam mit dem VdW Bayern mit einem WohWi.GPT, das sich aus den Dokumenten des Verbandes speist und die zentralen wohnungswirtschaftlichen Fragen beantworten können soll. Jens Kramer Geschäftsführer der PROMOS Consult GmbH ergänzte den Vortrag mit einem Pilotprojekt, bei dem die PROMOS gemeinsam mit einem Wohnungsunternehmen Prozesse und Algorithmen entwickelt hat, die die E-Mail-Kommunikation mit Mietern erleichtert. Das Programm entscheidet über die Überführung der Mail in ein Ticketsystem, fasst Inhalte zusammen und fügt die Daten aus dem ERP-System hinzu, sodass die Bearbeitung mit hoher Geschwindigkeit erfolgen kann. Das System geht derzeit in den Echt-Betrieb.
Holzbau als Zukunftsstrategie
„Als kommunales Wohnungsunternehmen orientiert sich die Freiburger Stadtbau an den CO2-Reduktionszielen der Stadt. Wir planen eine Senkung um 70 % bis zum Jahr 2030“, sagte Dr. Magdalena Szablewska, Technische Geschäftsführerin der Freiburger Stadtbau GmbH. Dabei soll der Baustoff Holz eine große Rolle spielen. Im Quartier Schildacker baute die Freiburger Stadtbau ein Modellprojekt städtischer Innenentwicklung, in welchem sie unterschiedliche Bauweisen realisiert hat. In vier Bauabschnitten entstanden Gebäude im Effizienzhaus-Standard 55 im klassischen Massivbau, in Holzkonstruktion und in Massivbauweise - mit monolithischen Außenwänden. „Wir haben uns bei dem Projekt der Frage gewidmet, wann Holzkonstruktionen konkurrenzfähig zu Massivbauten werden können – in ökonomischer und ökologischer Hinsicht“, betonte die Stadtbau-Chefin. „Gerade die Konstruktionsweise mit einem hohen Fertigungsgrad und daraus resultierenden kurzen Montagezeiten ist ausgesprochen attraktiv“, sagte Szablewska und präsentierte in einem Netzdiagramm vergleichend die positiven Effekte der Holzbauweise bei der Stoffmasse, dem Treibhauspotenzial, der Primärenergie und den Kosten im Betrieb. Allerdings seien die Anforderungen in Bezug auf die Regularien und Ausführungsqualität sehr hoch. Von diesem Wissen profitierten weiter sechs Bauprojekte im Holzbau, Holzhybridbau und Holzmodulbau in Freiburg, die Szablewska vorstellte. Anschließend präsentierte Jan Bulmer die Holzbauinitiative BW mit ihren Fördermöglichkeiten, Richtlinien und Informationen.
Aussichten
Für das kommende Jahr steht der Termin schon fest: Am 24./25. September 2025 trifft sich die Branche erneut, um Wissen und neue Ideen auszutauschen.
Bilder:
Peter Bresinski, Präsident des vbw bei der Begrüßung
Blick in den Saal
Timo Wanke, Dr. Iris Beuerle, Jens Kramer
Dr. Magdalena Szablewska