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Zu den Ansprechpartnern

WohnZukunft im Fokus bei den Baden-Badener Tagen 2023

Dr. Ernst Böhm von der B&O-Gruppe

Prof. Dr. Stefan Leupertz, Richter am Bundesgerichtshof a. D. und Geschäftsführer der 3D2L GmbH

Prof. Dr. Dirk E. Hebel, KIT Karlsruher Institut für Technologie

Björn Eisele, InWIS Forschung & Beratung GmbH

Experten sprechen über Neue Wege und Innovationen für das bezahlbare Bauen der Zukunft und das Erreichen der Klimaneutralität

Mit über 260 gemeldeten Teilnehmern war der Vortragssaal im Kongresshaus bei den Baden-Badener Tagen der Wohnungswirtschaft bis zum letzten Platz gefüllt. Die Wohnungsunternehmen stehen vor der Herausforderung, trotz der gestiegenen Baupreise und Anforderungen Lösungen zu finden, um eine klimaneutrale Wohnzukunft zu bezahlbaren Mieten zu ermöglichen. Schon am Vorabend bei der Abendveranstaltung im Kurhaus nutzten die Besucher ausgiebig die Gelegenheit zum Austausch und zur Diskussion über die Zukunft des Bauens.

Klimagerecht und preiswert bauen und sanieren

Die Vortragsreihe am Folgetag startete mit Dr. Ernst Böhm von der B&O-Gruppe. In seinem Vortrag erläuterte er seine Vision von „einfach bauen“. Er plädierte dafür, die Komplexität des Bauens zu reduzieren. Sein Vorschlag lautet, auf Standards zu verzichten, da sich diese nicht nur als zeit- und kostenintensiv erweisen, sondern auch anfällig für Fehler sind und die Instandhaltungskosten belasten.Das Forschungsprojekt der TU München in Bad Aibling hat gezeigt, dass die Bauweise mit massivem Holz gegenüber Leichtbeton und Mauerwerk eine deutlich bessere Umweltbilanz über den gesamten Lebenszyklus aufweist“, betonte er. Einsparmöglichkeiten sieht Böhm aber auch durch eine serielle Vorfertigung. Damit wird die Gewerketrennung aufgehoben und die gesamtheitliche Verantwortung kann vom Bauherrn übernommen werden. „Die GdW-Ausschreibung ist hier auf dem richtigen Weg“, so Böhm. Serielles Bauen mit Holz erhöhe zudem die Bauqualität und Sicherheit und reduziere die Bauzeit. Auch die Sanierung und Instandhaltung vereinfache sich, da diese pauschaliert, digitalisiert und standardisiert durchgeführt werden könne.

Dialogische Kooperation statt Beharren auf Regeln

Damit „einfacher bauen“ zur Realität wird, ist es auch notwendig, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern. Prof. Dr. Stefan Leupertz, Richter am Bundesgerichtshof a. D. und Geschäftsführer der 3D2L GmbH, stellte in seinem Vortrag die derzeitigen Regelungen auf den Prüfstand. Da das Bauen ein sehr komplexer Tatbestand sei, gebe es sehr viele Regelungen zur Absicherung. Dadurch sei der Umgang der Vertragspartner in der Regel von jeweils individuellen Interessen und eigenen Verpflichtungen der einzelnen Akteure geprägt. „Die Überregulierung des Bauens wirkt so als Hürde für Innovation und Effizienz“, erklärte Leupertz. Deshalb sei es notwendig, anerkannte Regeln der Technik neu zu fassen und das Leistungssoll individuell zu vereinbaren. Dies ist durch die derzeitige Rechtslage nicht möglich, was Innovationen behindere. „Gute Kooperationsgestaltung verhindert nicht nur Konflikte und Brüche, gute Kooperationsgestaltung setzt Kräfte frei, erschließt Potenzial und schafft Möglichkeiten. Je besser die Beteiligten zusammenarbeiten, desto größer und nachhaltiger ist der allseitige Erfolg“, betonte er.

Wohntrends 2040 – Energie und Kosten sparen

Die neue Wohntrend-Studie der InWIS Forschung & Beratung GmbH im Auftrag des GdW stellte Björn Eisele, Mitglied der Geschäftsführung, den Teilnehmern in Baden-Baden vor. „Die derzeitigen Krisen wirken sich stark auf die Wohnanforderungen aus. Ängste und Probleme durch Inflation, Klimawandel und fehlenden Wohnraum führen zu einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft“, sagte er. Die Höhe der Miete und der Nebenkosten sei laut Umfrage ein wichtiges Entscheidungskriterium, während Standards und Wohnansprüche wie Balkon, gehobene Bad- und Wohnungsausstattung weniger wichtig werden. Besonders Familien zeigten sich unzufrieden mit den Kosten des Wohnens. Eine weitere Tendenz sei die Umkehrung der Urbanisierung zur Ruralisierung. So lässt die Attraktivität von Innenstadt bzw. Zentrumnähe nach, während das Wohnen am Stadtrand favorisiert wird. Eisele empfahl den Wohnungsunternehmen die Initiativen von Mietern zu würdigen, denn diese seien in hohem Maße bereit, sich zu engagieren. Ebenso sollten Sharing-Angebote im Wohnumfeld geschaffen werden, z.B. Räume zum Werken, Feiern und Tauschen. Angebote im Quartier ergänzen die Attraktivität von kleineren Wohnungen. Darüber hinaus sind Mieter offener für neue Wohnformen, wie etwa ökologisches Wohnen und Mikrowohnen.

Einen besonderen Fokus legte Eisele auf den Einsatz von Technik. Diese könne nicht nur helfen, Energie und Kosten zu sparen, sie erfülle auch den Wunsch nach New Work im Quartier und mehr Digitalisierung. So können Wohnungsunternehmen mit Technik Verbräuche einfach und möglichst in Echtzeit sichtbar machen und smarte Energieeffizienztechnologien wie smarte Heizkörperthermostate anbieten. Ebenso sind Mieterstrommodelle, Versorgung mit schnellem Internet und Smart-Home-Ausstattungen sowie Coworking-Spaces gefragt.

Vom Jagen, Züchten und Ernten zukünftiger Baumaterialien

Auf den Umgang mit Baumaterialien und Energieverbräuchen wies Prof. Dr. Dirk E. Hebel hin. Er lehrt am KIT Karlsruher Institut für Technologie zum nachhaltigen Bauen und zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen an der Fakultät für Architektur. Das Bauwesen verbrauche große Mengen an Primärenergie und Primärrohstoffen und sei verantwortlich für einen hohen Ausstoß an CO2 und anderen Treibhausgasen. Viele Feststoffabfälle entstehen beim Bau. Beim Nettoabfallaufkommen in Deutschland wiegen Bau- und Abbruchabfälle bei weitem am schwersten. „Die Stadt ist ein wahres Rohstofflager, das man heben muss“, so Hebel.

„Versorgungsengpässe sind bei manchen Rohstoffen schon heute Realität und werden in absehbarer Zeit noch häufiger auftreten“, prognostizierte Hebel. Die Baubranche befindet sich daher in einem Paradigmenwechsel von der Verbrauchs- zu einer Kreislaufwirtschaft. Als ein Beispiel dafür stellte Hebel das RoofKIT Gebäude dar, mit welchem die KIT Fakultät für Architektur den Solar Decathlon 2021/22 in Wuppertal gewonnen hat. Das Gebäude und seine Materialien sind zu 100 Prozent kreislauffähig, weil sortenrein verbaut. Es wurden keine Klebstoffe, keine Imprägnierungen oder Farben, keine Schäume oder Nassabdichtungen verwendet. Viele Bauteile und Materialien wurden im zweiten, dritten oder vierten Kreislauf verwendet - Holz, Fenster, Bad- und Küchenarmaturen etc. Die Dämmung besteht aus getrocknetem Seegras. Als selbstheilender Witterungsschutz kommen sogar lebende Pilzorganismen zum Einsatz. PVT-Kollektoren liefern Strom und Wärme, eine Wärmepumpe speist die Fußbodenheizung und einen Warmwasserspeicher. Das Gebäude beweist, dass mit aktueller Technologie und Entwurfskapazitäten die Anforderungen des European Green Deal zur Kreislaufwirtschaft erfüllt werden können. „Das RoofKIT Gebäude ist eine Vision für das Bauwesen des 21. Jahrhunderts: sozial ausgleichend, energetisch erneuerbar und zirkulär nachhaltig“, schloss Hebel die Vortragsreihe ab.

Nach vielfältigen Eindrücken und Impulsen endete die wohnungswirtschaftliche Tagung. Die nächsten Baden-Badener Tage finden am 25./26.09.2024 statt.